Guten Morgen Mord!

Mein Krimi-Tagebuch

 

An dieser Stelle berichte ich in unregelmäßiger Folge von Freud und Leid einer Krimautorin. Es handelt sich hier um ein reines Arbeitsprotokoll, Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig, ich werde keine Auskünfte über mein Liebesleben geben und nicht den Mörder verraten.

Ältere Ausgaben des Tagebuchs - mein Leben als Auftragsschriftstellerin des Motorradkrimis Mord am Stilfser Joch - sind mittlerweile im Archiv zu finden.

Manchmal verstecke in dem Tagebuch kleine Links. Dort können Leserinnen und Leser sich ein Bild der Protagonisten machen, Mordwerkzeuge anschauen oder Songs hören.

 

13. Juli

Heute möchte ich eine Anekdote zum Besten geben, die ich einem Artikel aus der Süddeutschen Zeitung zum Revenant von Howard Hawks The Big Sleep entnommen habe: Humphrey Bogart, der den Marlowe spielte, soll Hawks gefragt haben, wer denn nun eigentlich der Mörder in diesem Krimi sei. Dieser wusste es nicht und wandte sich an Drehbuchautor Bill Faulkner, der auch keine Ahnung hatte und nun dem Urheber Raymond Chandler ein Telegramm schrieb. Doch selbst Chandler konnte nicht klären und Studioboss Jack Warner soll sich über die Ausgaben für das unsinnige Telegramm aufgeregt haben. Wen interessiert in so einem Film schon der Mörder?

 

8. Juli

Johanna kann sich nun langsam von ihrem Führerschein verabschieden, die Blutprobe ist genommen. Dennoch stagniert mein Schreibfluss, als hätte jemand einen großen Staudamm um mein Gehirn gebaut. Denke gerade lieber über Relaunchs meiner Website nach, als mir Gedanken über die Freiburger Solarmafia zu machen. Dem Thema fehlt für mich eindeutig das sexy Potential, das in Blaues Gold mit der Seenplatte steckte oder dem Manuskript um die die schwulen Profifußballer, das gerade bei Grafit Spinnweben ansetzt. Ganz zu schweigen von Killing Campino, der Kurzgeschichte aus Tödliche Wasser. Es ist einfach etwas anderes, sich ein Toten-Hosen-Video nach dem anderen reinzuziehen, als auf Solarpaneele zu starren.

 

2. Juli

Calvino-Phase beendet. Habe meinem Werk 15 Ways to get George Clooney (Arbeitstitel) eine neue Variante beigesteuert. Nun gibt es immerhin schon zwei! Seit ein paar Tagen schreibe ich wieder Krimi. Noch hat Johanna ihren Führerschein, doch die Polizei steht schon vor ihr. Zwar konnte sie mittel Zirkularatmung den Alcotester überlisten, das nützt ihr leider nichts, denn die Bullen bestehen auf einer Blutprobe. Wie immer fällt es mir sehr schwer, meinen Helden Leid zuzufügen, deshalb versucht ein Teil meines Ichs, mich daran zu hindern, diesen Part zu schreiben. Ich klebe an den Zeilen fest, an denen eine andere Wendung noch möglich ist - ein plötzlicher Einsatz könnte die Polizisten wegrufen, einer der umstehenden Personen (es ist weit nach Mitternacht und alle sind in einem Krankenhaus) könnte Amok laufen, Freiburg wegen eines Störfalls im Kernkraftwerk Fessenheim evakuiert werden müssen... Ein anderer Teil meines Ichs dagegen findet es reichlich bescheuert, wegen des möglichen Verlusts eines einzigen Führerscheins vielen Menschen Kummer und Sorgen zu bereiten, und will die Sache endlich hinter sich bringen. Mal sehen, wer gewinnt!

Noch ein Anliegen in eigener Sache für alle, die in der Näche von Heidelberg wohnen: Dort finden ab heute die 2. Heidelberger Krimitage statt. Meine Lesung ist morgen, den 3. Juli, um 17 Uhr im Café Burckhardt.

 

23. Juni

Es ist mühsam. Ich habe schon zuviel Krimi geschrieben dieses Jahr. Mein Kopf will nicht, meine Finger wollen nicht und ich will auch nicht. Habe zwar endlich den Haken gefunden, der mich in die Geschichte hinein ziehen kann, befasse mich dennoch erst einmal mit einem anderen Projekt. Eine Art Wie ein Wanderer in einer Winternacht von Italo Calvino. Ein Buch, das mir während meiner Studienzeit sehr gefallen hat. Habe gerade bei Wikipedia nachgeschaut und gesehen, dass es richtig Wenn ein Reisender in einer Winternacht heißt und überhaupt nicht dem ähnelt, an was ich mich erinnere. Und nicht im mindesten dem, was ich mir als Schreibprojekt vorstelle. Eines haben allerdings Calvinos Reisender und meine Vorstellung gemeinsam: Sie bestehen aus vielen verschiedenen Kapiteln, die nichts - außer einer sehr weitläufigen Rahmenhandlung - mit einander zu tun haben. Ich muss also keine 300 Seiten am Stück schreiben. Und das ist verdammt beruhigend.

 

6. Juni

Nichts geht. Komme einfach nicht in die Geschichte rein. Mir fehlt der Haken, der mich hinein zieht. Muss doch noch mehr nachdenken. Zuerst denken, dann schreiben. Nicht: Fühlen, schreiben, denken. Fühlen, denken, schreiben. Aber es denkt nicht. Das Gehirn, meine ich. Es fühlt sich an, als gehöre es nicht zu mir. Muss mir also mein Gehirn zurück erobern, dann kommt die Story und dann schreibts auch wieder, s'Karin, wie die Alemannen so sagen.

 

3. Juni

Heute schaut mich John Hurt aus der Verfilmung von 1984 an, macht nicht gerade Mut. Bin dennoch fest entschlossen, weiter zu schreiben. Johanna wird wohl ihren Führerschein verlieren. Für eine Fotografin fatal, wie soll sie ihre Fotoausrüstung transportieren? Habe natürlich eine Idee, die sie rettet, doch davon weiß Johanna noch nichts. Jetzt ist sie erst einmal schlecht drauf. Sehr schlecht drauf. Dazu noch die Sache mit ihrem Vater...

 

2. Juni

Mein Kinokalender zeigt heute eine lachende Greta Garbo. Dem kann ich mich nicht anschließen. Ich habe Heuschnupfen, Rückenschmerzen und mir fällt nichts ein. Zum Glück habe ich vor einem Jahr (oder so) vorgearbeitet und die ersten Seiten eines Johanna-Rix-Romans geschrieben. Im Augenblick sitzt Johanna auf der Ladefläche ihres Golf-Kombis, der in der Nähe der Berghauser Kapelle auf dem Schönberg parkt. Es ist Nacht, sie hat ihren Schlafsack um sich geschlungen und trinkt Rotwein. Viel Rotwein. Dann macht es 'Krach', ihr Auto wackelt und sie hört einen Schrei. Sie springt, soweit es ihr Zustand erlaubt, aus dem Heck, fällt fast auf die Nase (wegen des Schlafsacks) und findet einen Mountainbiker neben der Kühlerhaube liegen. Er ist ohnmächtig. Sie untersucht ihn mit ihrer Stirnlampe. Er ist weiterhin ohnmächtig. Sie überlegt, was sie tun soll. Ein Handy hat sie nicht dabei, fahren kann sie auch nicht mehr, aber der Radfahrer braucht dringend ärztliche Hilfe...

 

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